Fotos Klimaprotest in Selm am 24.04.2020

 

 Marion Küpper und Jeannine Tembaak Interview Marion Küpper und Jeannine Tembaak, Klimatreff Selm Mit dem Klimatreff wollen wir Menschen aufklären und aufmerksam machen auf die Probleme, die der Klimawandel mit sich bringt. Wir sind eine Anlaufstelle für Informationen und irgendwo auch ein politisches Korrektiv. Dabei sind wir eher eine Initiative und kein Verein. Die Menschen bei uns sind ein bunter gesellschaftlicher Querschnitt, wobei die Teilnehmenden häufig in irgendeiner Form schon politisch engagiert sind. Viele sind aus verschiedenen Parteien und Organisationen (BUND, NABU, Grüne, SPD, UWG, Elternpflegschaft des Gymnasiums, Mitarbeitende der Stadt, Fridays-, Parents- und Scientists for Future, Extinction Rebellion, Jugendnetz). Dadurch profitieren wir natürlich wechselseitig voneinander. Und auch die örtliche Presse unterstützt uns, bei dem Bestreben Klimaschutz und Nachhaltigkeit in die Öffentlichkeit zu bringen. An Aktionen haben wir zum Beispiel eine Demo zum globalen Klimastreik in Selm organisiert. Dort gab es 200 Teilnehmende, auch aus den umliegenden Ortschaften. Außerdem veranstalten wir Workshops und Infoabende. Zum Thema Photovoltaik zum Beispiel: „Wie baue ich eine eigene Anlage auf mein Dach“. Das war ein Thema, was die Bürger*innen wirklich interessiert und so auch neue Gesichter mobilisiert. Grundsätzlich verfolgen wir dabei ein offenes Konzept: Alle dürfen unabhängig an Veranstaltungen teilnehmen, ohne sich dazu zu verpflichten, bei der nächsten Müllsammelaktion auch gleich Kippen aus der Stadt zu sammeln. In Zukunft spielt das Thema Mobilität für uns eine große Rolle. Auch das Klima-Café – eine städtische Initiative für mehr Bürgerbeteiligung in Bezug auf Klimapolitik – hat dies zum Thema. Wichtig ist in dem Zusammenhang über den ÖPNV zu sprechen und dessen Verbesserung. Auch der Bürgerbus für Selm ist ein wichtiges Thema. Vom Klimatreff planen wir auch eine Mitfahrbank, wie es sie schon in der Nachbargemeinde gibt. Das ist im Prinzip wie gezieltes trampen: an einer öffentlichen Stelle steht ein Stuhl mit Klappkarten, auf denen man dann auswählen kann, wohin man mitgenommen werden möchte. Kostenfrei und außerhalb des ÖPNV. Marion Küpper: Fridays for Future hat mich persönlich beflügelt. Ich meine, wenn man 30 Jahre lang Aktivistin ist, erwartet man nicht, dass sich plötzlich so etwas entwickelt. Angefangen hat das Thema Klima für mich während meiner Berufsausbildung und dem Studium. Ich bin gelernte Chemielaborantin, habe mich mit Umweltanalytik beschäftigt und war u. a. bei BASF angestellt. Als ich dann in Regenproben Essigsäure-Konzentrationen festgestellt habe, hat das dazu geführt, dass ich es nicht mehr genießen konnte in den Regen zu gehen. Ich mochte den Regen nicht mehr, weil ich ihn nur mit meinen Messergebnissen gesehen habe. Während des Studiums bin ich dann durch Indien und Südostasien gereist. Das war sehr entschleunigend. Ich habe gemerkt, wie man auch auf andere Art leben kann. Irgendwann konnte ich dann als Chemie-Ingenieurin nicht mehr arbeiten. “Ich glaube, dass viele Menschen nicht wissen, an welchen Stellen man sich einbringen kann.” Politisch angefangen habe ich dann bei Attac. Als hier eine Schweinemastanlage gebaut werden sollte, habe ich mich aktiv engagiert. Habe Unterschriften gesammelt, einen Sammeleinwand geschrieben. Das habe ich bislang nur selten hier in Selm erlebt, dass es so einen politischen Ansturm gibt und die Menschen so aktiviert sind. Mittlerweile bin ich bei den Grünen in Selm. Beim Klimatreff bin ich eigentlich von Anfang an dabei. Die dortige Arbeit beflügelt mich. Gerade wenn man mal resigniert, weil die politische Arbeit mühsam ist. Ich glaube, dass vor allem der Schritt vom Wissen zum Handeln schwer ist. Und das gehört aufgebrochen. Das geht zum Beispiel in dem man das öffentlich vorlebt, Aufklärungsarbeit betreibt und einander in seinen Überzeugungen bestärkt. Jeannine Tembaak: Durch meine Tochter bin ich zu Parents for Future gekommen. Sie wurde für eine Demo nicht vom Unterricht freigestellt werden. Ich bin dann an die Presse gegangen und schlussendlich durfte sie gehen. Auch ansonsten engagiere ich mich vielfach für eine nachhaltige Lebensweise. Ich habe mich zum Beispiel mit einem Foodtrailer selbstständig gemacht. Dort koche ich viel vegan, regional und bio und trage so nachhaltiges Essen in die Gesellschaft. In der Stadt bin ich für die UWG im Umweltausschuss tätig. Auf politischer Ebene muss denke ich Lobbyismus stärker offenbart werden, um dem Klimawandel zu begegnen. Denn ganz viele Entscheidungen entstehen aus kurzfristigen wirtschaftlichen Interessen einzelner. Die Kommunikation hierüber muss sich hin zu einer offenen und transparenteren Form wandeln. Man muss den Leuten wirklich sagen was Sache ist und nicht nur daran denken kurzfristig für die nächste Wahl Stimmen zu bekommen. Das ist auch manchmal unbequem, aber man kann nicht nur Politik machen, um sich beliebt zu machen und Wählerstimmen zu ergattern. Wir müssen umdenken, hin zu einer nachhaltigen und zukunftsorientierten Gesellschaft und zwar nicht für die nächsten fünf sondern 50 Jahre. Ich war früher lange bei der Piratenpartei und hadere daher nochmal ganz besonders was Verbote nicht nur in Bezug auf den Klimaschutz anbelangt. Ich fürchte aber, dass die Freiwilligkeit nur in einer sehr gebildeten und sehr aufgeklärten Gesellschaft funktionieren kann. Und manche Regelungen werden ja bereits akzeptiert, wie zum Beispiel die Feinstaubplaketten an Autos. Man muss eben aufpassen, dass die Verbote nicht ins Persönlichkeitsrecht reichen. Es darf nicht dem Einzelnen verboten werden, Fleisch zu konsumieren. Aber es sollte der industriellen Landwirtschaft verboten werden, Tierhaltung so zu betreiben, wie sie jetzt betrieben wird. „Der Markt regelt das“ passt da alleine nämlich nicht. Und wenn man auf diese Art Einfluss nimmt, betrifft es die Menschen anders. Natürlich wird es dadurch teurer und man muss dann überlegen, kann ich mir jeden Tag Fleisch leisten? Aber durch solche Prozesse könnten wir gesellschaftliches Umdenken herbeiführen. Denn schlussendlich kann der Wandel nur passieren, wenn die Gesellschaft mitzieht. InfoBox Marion Küpper und Jeannine Tembaak, Klimatreff Selm
IMPRESSUM & DATENSCHUTZ wir-in-der-region.net 2023